Anspruch auf Betreuung bis 14 Uhr und ganztags?

Auf der Kreiselternratssitzung im Dezember 2012 erzählten einige Elternvertreterinnen von ihren erfolglosen Bemühungen, die Öffnungszeiten von 12 bzw. 13 Uhr auf 14 Uhr zu verlängern. Eine Erzieherin aus Horneburg, die in Hamburg arbeitet, konnte sich dazu das Schmunzeln nicht verkneifen. In Hamburg hätten alle Kindergärten flexible ganztägige Öffnungszeiten, zum Teil auch bis 22 Uhr und am Wochende. Das entspreche dem Bedarf. Für sie bedeute das gute und sichere Arbeitsbedingungen und vor allem eine unbefristete Vollzeitstelle. Leider könne das im Landkreis Stade nicht geboten werden, denn gerne würde sie in ihrer Heimat arbeiten. Warum ist es im Landkreis Stade immer noch schwer die Öffnungszeiten zumindest auf 14 Uhr zu verlängern?

In Himmelpforten am kirchlichen Kindergarten kämpfen 12 Eltern seit Jahren erfolglos um die Verlängerung auf 14 Uhr. Obwohl eindeutig ein Bedarf vorhanden ist. Auch dem Waldorfkindergarten in Nottensdorf wird nur von einigen Samtgemeinden die Kosten für die verlängerten Öffnungszeiten bis 14.30 Uhr erstattet.

 

Zur Hilfestellung der Eltern und Elternvertreter, die eine Verlängerung der Öffnungszeiten benötigen, gibt es im folgenden ein paar rechtliche Informationen (einfach ausdrucken und in den Verhandlungen oder beim in Verzweiflung eingeschalteten Rechtsanwalt vorlegen).

 

Tatsächlich sind alle Gemeinden verpflichtet, eine bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung zu stellen, so steht es im Gesetz ab August 2013:

 

„§ 24 SGB VIII Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn....die Erzeihungsberechtigten einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind...,sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden ....Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

 

Neu ist ab August 2013 der Satz: Der Umfang der täglichen Betreuung richtet sich nach dem täglichen Bedarf. Das gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes für Kinder unter einem Jahr, soweit die Eltern z.B. beide erwerbstätig sind. Und für Kinder zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr für alle Kinder unabhägig von der Erwerbstätigkeit. Damit ist die Regelung in § 12 des niedersächsischen Kindergartengesetzes (KitaG) wonach sich der Anspruch lediglich auf eine Vormittagsgruppe richtet nicht mehr wirksam (!), denn Bundesrecht bricht Landesrecht. Das gilt nach systematischer Auslegung auch für die Kinder zwischen 3 und 6,5 Jahren.

 

Es scheint schwer im Landkreis Stade diese neue Rechtslage den zuständigen Politikern zu vermitteln. Das sollte es aber nicht, denn alle Eltern haben schlicht einen Rechtsanspruch darauf, der sofort im Eilverfahren durchsetzbar ist.

 

Das ergibt sich nicht nur aus dem Gesetz, sondern auch aus den Kommentierungen des Gesetzes. Dazu also Info für alle am politischen Prozess beteiligten Juristen - die entsprechenden Zitate aus dem Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, Münder, Meysen, Trenczek, 7. Auflage § 24 Rn. 17 und 67:

 

"Im Hinblick auf die veränderten Familienstrukturen, die hohe Zahl erwerbstätiger Mütter und die Zielsetzung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 3  - Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen ... den Eltern dabei helfen, Ererbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können - wird der Rechtsanspruch nur durch eine Mindestbetreuungszeit von sechs Stunden erfüllt (Wiesner/Struck § 24 Rn. 15; Schellhorn Fischer § 24 Rn. 12; Kaiser in: LPK-SGB VIII § 24 Rn. 11; GK-SGB VIII/Gerstein § 24 Rn. 12). Abweichende landesgesetzliche Regelungen, die etwa nur einen Anspruch auf eine vierstündige Betreuung vorsehen, sind gemäß Art. 31 GG unwirksam (Bundesrecht bricht Landesrecht). Nach der Rechtslage ab dem 1.8.2013 ist von einer Betreuungszeit von acht bis neun Stunden auszugehen."

 

"Der Umfang der täglichen Betreuung richtet sich nach dem individuellen Bedarf... also auch, je nach Bedarf, auf einen Ganztagsplatz. Im Hinblick darauf, dass der Rechtsanspruch auch dazu dienen soll, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu ermöglichen... bedeutet das eine Betreuungszeit von acht bis neun Stunden (Rixen, NJW 2012, 2839, 2841)"

 

Nur der vollständigskeithalber sei noch die Kommentierung zu den Ganztagsplätzen angefügt. Frankfurter Kommentar § 24 Rn. 32: "Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Anmerkung Landkreis Stade bzw. per Vertrag die Gemeinden) haben darauf hinzuwirken, dass für die ...Kinder ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt.. ein bedarfsgerechtes Angebot zur verfügung steht. Ein "Ganztagsplatz" ist nicht frei definierbar, sonder muss über die ohnehin geforderte Mindestbetreuungszeit von sechs Stunden ... hinausgehen. Es muss eine durchgehende Betreuungszeit gewährleistet sein, die es den Eltern ermöglicht, einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen. Unter Berücksichtigung der notwendigen Fahrtzeiten ist das ein Zeitraum von mindestens zehn Stunden, während der die Mittags- und sonstige Verpflegung sicherzustellen ist."

 

 

 

 

 


 

 

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