Ganztagsschulen Buxtehude, Katja-Oldenburg Schmidt

Hamburger Abendblatt 28. Dezember 2010, Buxtehude. Eine Streberin war Katja Oldenburg-Schmidt nie. "Ich bin eine ganz normale, durchschnittliche Schülerin gewesen", sagt die Erste Stadträtin von Buxtehude. Der Mittelpunkt ihres Lebens spielte sich nicht hinter dicken Schulmauern ab, sondern auf dem Sportplatz. Die heute 51-Jährige war begeisterte Basketballspielerin und liebte die Bewegung ebenso wie der Rest ihrer Familie, die sich unter anderem dem Tennis verschrieben hatte.

Dennoch sollte die Schule das bestimmende Element in Katja Oldenburg-Schmidts Leben werden. In diesem Jahr hat sie federführend daran mitgewirkt, dass in Buxtehude etwas auf die Beine gestellt wird, was von vielen Seiten als "bildungspolitische Innovation" und einmalig für die gesamte Region bezeichnet wird.

Drei Grundschulen der Stadt verwandeln sich zum kommenden Schuljahr in Offene Ganztagsschulen, das heißt, die Schüler können dort an bis zu fünf Tagen in der Woche Angebote am Nachmittag nutzen. Sie können dort Mittagessen, sich bei den Hausaufgaben helfen lassen, Fußball spielen, tanzen oder Theaterstücke proben. Das Angebot ist kostenlos, lediglich für das Mittagessen und die mögliche Anschlussbetreuung bis 18 Uhr müssen die Eltern zahlen. Im Schuljahr 2012/13 sollen die restlichen drei Grundschulen mit ans Ganztagsschulnetz gehen.

"Wir wissen, dass das ein Pilotprojekt ist", sagt die Erste Stadträtin, die zugleich Leiterin des Fachbereichs Finanzen, Bildung, Kultur, Jugend, Soziales und allgemeiner Bürgerservice ist. Von vielen Seiten gebe es noch Kritik an dem Vorhaben und sie glaube, dass es eine Lebensaufgabe sei, die unterschiedlichen Standpunkte zusammenzuführen. Denn davon gibt es nicht gerade wenige. Da wären zum Beispiel einerseits die berufstätigen Eltern, die sich eine gute und zuverlässige Betreuung für ihre Kinder wünschen, und andererseits die Eltern, die nur halbtags oder teilweise gar nicht berufstätig sind, und ihr Kind am Nachmittag lieber bei sich hätten.

Es gibt Kinder, die in so vielen Vereinen aktiv sind, dass sie bei der Ganztagsschule in Zeitnot kommen und die, die nur vor dem Computer hängen und nicht wissen, wie sie die Zeit totschlagen sollen. Es gibt Eltern, die sich sorgen, ihre Kinder könnten überfordert sein, und Eltern, die fast schon viel zu viel von ihrem Nachwuchs verlangen und das Kind unter Druck setzen. Und dann sind da noch die Eltern, denen die Erziehung ihrer Kinder relativ egal ist, weil sie selbst genug Probleme haben.

All diese unterschiedlichen Gruppen treffen in der Schule aufeinander - und mit ihnen die Ansprüche, Wünsche und Vorstellungen, die sie haben. "Generell kann ich die Sorgen der Eltern nachvollziehen", sagt Katja Oldenburg-Schmidt. Sie selbst hätte sie auch, wenn ihre Tochter, die heute 23 Jahre alt ist und Volkswirtschaftslehre und Politik studiert, damals in eine Ganztagsschule hätte gehen sollen. Stimmt die pädagogische Ausrichtung? Gibt es eine kindgerechte Betreuung? Wie regeln wir das mit den Vereinen? Und ist das Mittagessen auch gesund? All das sind Fragen, die sich die Eltern stellen und auf die sie zu Recht eine befriedigende Antwort bekommen wollen.

"Man muss einfach wissen, dass das Kind gut aufgehoben ist", sagt sie. Erst dann habe man als berufstätige Mutter oder berufstätiger Vater den Kopf frei für die Arbeit. Dass Katja Oldenburg-Schmidt aus eigener Erfahrung weiß, wovon sie spricht, wird bei einem Blick auf ihren Lebenslauf deutlich. Nach dem Abitur in Pinneberg hat sie in Hamburg und Freiburg Jura studiert, Schwerpunkt Europarecht und öffentliches Recht. Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft in Hamburg und bei der Umweltbehörde.

"Meine Tochter kam zwischen dem ersten und zweiten Staatsexamen zur Welt", erzählt sie. Ein Schlüsselerlebnis sei für sie die Frage eines ihrer Prüfer gewesen, warum sie das zweite Staatsexamen denn überhaupt noch machen wolle, jetzt, wo sie doch Familie habe. Katja Oldenburg-Schmidt quittierte diese Aussage mit einem ungläubigen Kopfschütteln. "Für mich stand nie zur Debatte, zu Hause zu bleiben." Ihr Mann und ihre Familie haben ihr die entsprechende Unterstützung gegeben.

1992 kam sie nach Buxtehude, hatte dort zunächst eine Juristenstelle und zwei Jahre später die Geschäftsführung der Grundstücksentwicklungsgesellschaft für das ehemalige Kasernengelände inne. Einige Jahre später wurde sie dann Leiterin des damaligen Rechts- und Ordnungsamts, wozu im Laufe der Zeit die Bereiche Jugend und Schule dazukamen.

"Anfangs bin ich immer noch von Pinneberg gependelt", sagt sie. Als ihre Tochter dann zur Schule ging, zog die Familie schließlich nach Buxtehude. War der Unterricht am Nachmittag aus, ging die Tochter in den Hort am Stieglitzweg. Doch die Arbeitszeit in der Stadtverwaltung ist gerade in Führungspositionen nicht immer so angenehm, wie man glauben mag. "Wenn ich abends Sitzungen hatte, hat mein Mann meine Tochter abgeholt." Das ging gut, weil ihr Ehemann selbstständig ist und sich seine Zeit relativ frei einteilen kann. Zwar hatte Katja Oldenburg-Schmidt auch nicht immer eine volle Stelle, doch wenn das Kind während ihrer Arbeitszeit plötzlich krank wurde, musste auch sie sehen, wie man das Problem am besten löst.

Dass viele berufstätige Mütter und Väter eine Offene Ganztagsschule allein schon wegen der Verlässlichkeit in der Betreuung als eine große Entlastung empfinden, davon ist die Erste Stadträtin überzeugt. "Für viele Eltern ist es am wichtigsten, dass es eine Institution aus einem Guss ist", sagt sie. Die Trennung zwischen der Schule am Vormittag und dem Hort am Nachmittag ist dann Geschichte, und damit fällt auch das Hin- und Hergerenne zwischen zwei unterschiedlichen Einrichtungen weg.

Doch nicht nur der Blickwinkel der Eltern zählt. Die Bedürfnisse der Kinder sind bei dem neuen Schulsystem nicht minder wichtig. "Das Freizeitverhalten hat sich im Laufe der Jahrzehnte doch vollkommen verändert", sagt sie. Viele Kinder bewegen sich kaum noch, sind nur noch im Haus, alleine vor dem Computer oder dem Fernseher. Wie soll ein Heranwachsender so soziale Kompetenzen entwickeln?

Wenn Katja Oldenburg-Schmidt an ihre eigene Kindheit in der Nähe von Pinneberg denkt, sieht sie sich als kleines Mädchen, das mit seinen Freunden im Wald spielt und von einem Feld Zuckerrüben klaut. "Wir haben unsere Grenzen erprobt", sagt sie. Weil auch ihre Mutter berufstätig war, musste sie früh selbstständig werden, wenngleich ihre Großeltern immer für sie da waren.

Sie hoffe, dass die Offene Ganztagsschule den Kindern ein Lebensraum wird, der nicht nur mit Lernen verbunden ist, sondern auch mit Spaß und Freude. Das negativ besetzte Bild, das der Schule anhaftet, verschwinde hoffentlich, wenn die Schule ein Ort wird, an dem die Kinder Gemeinschaft erleben, ihre Freunde treffen, lernen und zugleich frei spielen können.